Haushaltsrede Bad Nauheim – Bündnis90/Die Grünen

Herr Stadtverordnetenvorsteher, meine Damen und Herren,

Haushalt 2021 und im Blick zurück 2020: Was für ein Jahr!

Corona und kein Ende! Es fühlte sich chaotisch an – bis heute! Dennoch, im Chaos sind wir nicht geendet Wir haben einen Plan fürs nächste Jahr und auch für die Jahre darauf. Unter dem Strich stehen zwar für 2021 erstmals wieder rote Zahlen im Ergebnis­haushalt, aber doch nicht ganz so dramatisch, wie zeitweise befürchtet.

Herr Krank, Sie und das ganze Team in der Kämmerei haben in dieser Zeit einen guten Job gemacht. Es ist wohltuend festzustellen, dass der Kämmerer mit ruhigen und konstruktiven Wortmeldungen in den Ausschuss­sitzungen zur Lösungsfindung beiträgt. Die Haushaltsab­schlüsse wurden – wie auch schon in der Vergangenheit – zeitnah vorgelegt. Wir wissen jedenfalls die Haushaltsführung in guten Händen.

Zwei kommunalpolitische Vorgänge sind uns allerdings in diesem Jahr negativ aufgefallen! Man mag ja Verständnis für die Unwägbarkeiten des Shut-Downs haben!

Uns Grünen ging es aber im April entschieden zu weit, dass der Haupt- und Finanzausschuss stellvertretend für das Stadtparlament über die größte Investition in der Geschichte Bad Nauheims ganz allein entscheiden sollte.

Der Bebauungsplan für die neue Therme mit Anschluss an das Bade­haus 2 wurde per Eilentscheid von den 10 Mitgliedern des H+F beschlos­sen. Es ging hier um den Startschuss für eine Investition von deutlich mehr als 30 Millionen Euro. Nur vier Wochen später wurde die Entschei­dung nochmals zur Sicherheit im Parlament wiederholt, um möglichen juristischen Konsequenzen aus dieser Vorgehensweise aus dem Weg zu gehen.

Wegen eines Zeitraums von vier Wochen wurde das Parlament mit Hin­weis auf den § 51a der HGO quasi seiner Entscheidungshoheit beraubt. Da verschlägts einem noch nachträglich die Worte, das darf sich – auch bei Coronabedingungen – nicht noch mal wiederholen.

Der zweite negative Punkt aus der Geschichte des vergangenen Jahres war die Idee des Bürgermeisters, den Einzelhandel in der Stadt mal eben mit einem zusätzlichen kommunalen Sofort-Programm mit 2,5 Millionen Euro zu unterstützen. Nach dem Gießkannenprinzip sollten die städtischen Steuermittel unter den Einzelhändlern verteilt werden. In der Presse wurde bereits der 2. Juni als Termin genannt, an dem die Steuermittel abgerufen werden könnten, bevor der Plan überhaupt in der Stadtverord­netenversammlung diskutiert werden konnte.

In einer ungewöhnlichen konzertierten Aktion konnten sich alle Parteien als Reaktion auf diesen einsamen Beschluss innerhalb weniger Tage – mit Absprache mit Erlebnis Bad Nauheim – auf ein 11-Punkte-Programm „Gemeinsam gegen Corona“ verständigen. Wir wollten damit den Einzel­handel und die Gastronomie aktiv unterstützen. Das 11-Punkte- Programm wurde schließlich einstimmig – ohne Enthaltung – im Stadtparlament verabschiedet. Die Rückmeldungen sind sehr, sehr positiv.

Sicher sollte man nicht zu kritisch sein, mit den Entscheidungen, die in Corona-Zeiten unter hohem Zeitdruck getroffen wurden. Eines sollten wir aus diesem Beispiel gelernt haben: das Parlament ernst nehmen und in die Entscheidungen einbinden, das ist das Wesen der Demokratie.

Ansonsten ist in der Rückschau vieles richtig gelaufen! Das ist doch beruhigend, dass wir uns auf unsere Verwaltung verlassen können.

Der vorliegende Haushaltsplan 2021 kann natürlich nicht alle Unwäg­barkeiten der kommenden Monate abbilden. Es ist aber ein Plan mit Zuversicht. Ich will nur wenige Punkte herausgreifen:

  • Wir investieren weiter nach den Zielen des Verkehrsentwicklungs­plans, den wir hier vor fünf Jahren fast einstimmig be­schlossen haben. Erklärtes Ziel ist eine umweltverträglichere Mobilität für jedermann und jede Frau. Weniger Autoverkehr in der Innen­stadt, mehr Parkplätze an den Stadt­rand und die weitere Förderung des Radverkehrs. – Unverzichtbar und absolut not­wendig für die anstehende Rezertifizierung als Heilbad!
  • Der Waldpflegeplan: Der Bad Nauheimer Wald soll nachhaltig und denkmalgerecht bewirtschaftet werden. Die Umsetzung wird von externem Fachverstand begleitet. Die Mehrheit hat dafür ge­stimmt. Das ist angesichts der katastrophalen Dürreschäden in unseren Wäldern gut so.
  • Die Rezertifizierung Bad Nauheims als Fairtrade Stadt ist positiv hervorzuheben.
  • Dann, auf jeden Fall die hervorragende Kinderbetreuung, die die Stadt leistet. Rund 1120 Kindergartenkinder und 280 Unter-Dreijährige finden einen Betreuungsplatz in Bad Nauheim.
    Im nächsten Jahr bezuschussen wir die Gesamtkosten von fast zehn Millionen Euro zu etwa zwei Drittel aus der Stadtkasse. Eine stolze Summe, aber gut angelegtes Geld. Das ist wirklich eine Investition in die Zukunft.

Welche Ziele sind noch nicht verwirklicht?

Was wir mittelfristig noch nicht wirklich beziffern können, das sind die Gelder, die wir in den Neubau und des Betriebs des Hochwaldkranken­hauses stecken müssen. Eine Absenkung unserer hälftigen Beteiligung muss jetzt kommen, sonst wird es richtig teuer. Aber da stehen wir ja momentan mitten in kniffeligen Verhandlungen mit dem Wetterau­kreis.

Ganz konkret und unmittelbar aktuell: Das alte marode Thermalbad ist komplett verschwunden. Der Startschuss für den Neubau ist gegeben und für die kommenden Jahre eingepreist!

Allerdings: Den geplanten Neubau mit Einbindung des Badehauses 2 betrachten wir Grüne mehrheitlich weiterhin skeptisch. Wir hatten und wir haben Bedenken im Hinblick auf die Auflagen des Denkmal­schutzes und die dadurch kaum zu kalkulierenden Kosten. Und wir hatten und haben weiterhin die Befürchtung, dass mit der Umsetzung das Aus der Städtischen Spiel­stätte im Sprudelhof besiegelt wird. – Bis auf die UWG haben zwar alle Fraktionen erst letzte Woche wieder bekräftigt, an einer Zukunft der städtischen Spielstätte im Badehaus 3 festhalten zu wollen. Ob das dann aber so kommt, da fehlt uns die Gewissheit. In Bad Nauheim können Pläne ganz plötzlich ad Acta gelegt werden. Manch­­mal sogar nur Monate, nachdem sie beschlossen wurden.

Nun, die Beschlüsse sind gefasst: die Kosten des Neubaus der Therme sind zukünftig in den städtischen Haushalt einzupreisen, das müssen wir akzeptieren. – Wenn wir aber über unseren lokalen Tellerrand blicken, dann ist das nur ein „Problemchen“!

Es gibt wirklich größere Herausforderungen!

Der menschengemachte Klimawandel! – Bad Nauheim war in den letzten beiden Jahren mehr­fach der heißeste Ort in Deutschland. Was hat das für Folgen, wenn diese Entwicklung ungebremst so weiter geht?

Wird schon nicht so schlimm werden“– oder – „Können wir in Bad Nauheim eh nicht beeinflussen“ Das sind relativierende Floskeln, die gefährlich sind. Mit einer Vogel-Strauss-Politik dürfen wir nicht auf die unübersehbaren Folgen des Klimawandels reagieren. Wir müssen mehr tun – auch hier in Bad Nauheim!
Ein – zugegeben – vielleicht nur kleiner Beitrag könnte die Förderung des zu Fuß-Gehens und des Rad-Fahrens sein.

  • Wir haben ein jährliches Budget – etwa in Höhe von 10% aus der Einnahme der Parkgebühren – für Investitionen in Verbesserungen des Fußgänger– und Radverkehrs vorgeschlagen. Das sollte eine Summe von 150.000 Euro werden. Unserem Antrag wurde zugestimmt!
  • Ebenso wie unserem Antrag für die Einrichtung einer Stelle für ein freiwilliges ökologisches Jahr

Bemerkenswert und positiv hervorzuheben – es scheint schleichend ein Umdenken bei den Mehrheitsfraktionen einzusetzen!

Ja, Stadtverordnetenvorsteher Gerhard Hahn hatte vergangenes Jahr noch vor der Corona-Krise vollkommen Recht in seiner Weihnachts­ansprache! – „Bad Nauheim geht´s gut! Wir sind eine überaus attraktive Wohlfühl- und Gesundheitsstadt im Speckgürtel der Rhein-Main-Region.“

Aber, so seine Worte, wir sind aufgefordert, mehr zu tun! Global denken – lokal handeln! – Das hatte er uns als Aufgabe für eine bessere Zukunft in Bad Nauheim mitge­geben.

Das kann nur bedeuten: Die Energiewende und die Mobilitäts­wende hier in Bad Nauheim entschlossen und tatkräftig voranzu­treiben!

In Teilen sehen wir im Haushaltsplan 2021 Ansätze, die auf unsere not­wendigen und berechtigten Forderungen eingehen. Daher werden wir diesem Entwurf zustimmen.